
99 Luftballons …auf ihrem Weg zum Horizont
Kann er oder kann er nicht? Was denn? Na… Kanzler! Diese Grundsatz- und andere Fragen stellte Anne Will dem designierten Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, in ihrer Sendung am 29. Januar 2017.
Die oben genannte Grundsatzfrage wurde zumindest medial sehr schnell geklärt, und zwar durch inszenierten aufbrandenden Applaus (inklusive leisem Hintergrundjubel) des Publikums gleich zu Beginn der Sendung – da hatte der Kandidat noch nicht mal ein Wort gesagt – der ARD sei’s gedankt!
Zu Beginn des Gesprächs wurde gleich sich gegenseitig zulächelnd freundschaftlich gekalauert… „Ach Herr Schulz, jetzt machen Sie es mir aber schwer… ich wollte ein ganz kritisches Interview mit Ihnen führen! Naja, wer’s glaubt…
Und so kam der Kandidat dann auch rüber, wie er rüberkommen sollte. Sympathisch, volksnah und bodenständig. Dank eines abgestimmten Fragenkanons, der den Gefragten zu Fragen – insbesondere der Vergangenheit mit Bezug zu abgebrochener Lehre und Alkoholismus – gut aussehen ließ.
Ist ja auch positiv, wenn man eine zweite Chance bekommt und diese nutzt. Und es ist auch nachvollziehbar und etwas Wahres dran, wenn man darauf verweist, dass man als (gewesener) Bürgermeister in Würselen näher am Volk war als unlängst auf EU-Ebene oder dann – vielleicht später – in der Bundespolitik.
Darüber hinaus ließ Martin Schulz gefühlte 99 Luftballons, gefüllt mit Sozi-Luft und „Wir“ (gemeint ist die SPD) und „Ich mache(n) alles in dieser Republik gerechter“ in den medialen Abendhimmel aufsteigen. Keine Anzeichen durch kritische Nachfragen von Frau Will, aus dem ein- oder anderen Ballon einmal die Luft raus zu lassen, geschweige denn die konkrete Flugrichtung festzustellen, was bei Ballons sowieso schwierig ist – die ändert sich ja, je nach Windrichtung.
Und so hörte man mehrfach wiederholt die Sätze „Wir wollen, dass es in unserem Land gerechter zugeht!“ „Die Sozialdemokratische Partei ist aufgerufen, die Sorgen der Bürger im Land aufzunehmen!“ „Lohnzuwachs, höhere Einkommen, sichere Jobs… dafür zu kämpfen ist traditionelle Aufgabe der SPD!“ Momentmal, welche Partei regiert in der großen Koalition – gemeinsam mit der CDU?
Zu den „traditionellen Aufgaben der SPD“ gesellte sich dann noch ein wenig Klassenkampf -Managerboni vs. 1.580 Euro brutto eines ehemaligen weiblichen SPD-Mitglieds und Gewerkschafterin aus den Ruhrpott.
Von eben jener forderte der Kandidat Schulz ebenso mehrfach einen „Vertrauensvorschuss“ und verwies bei Fragen zu aktuellen politischen Gestaltungsmöglichkeiten entschuldigend darauf, dass die SPD als Juniorpartner in der Regierung quasi nichts machen könne. Erst wenn die SPD als größte Partei – mit welchen Koalitionspartnern auch immer – die Richtung vorgeben könne, hätte man die Möglichkeit politisch steuern.
Aha… Hätte, könnte, wennste – oder hätte, hätte – Fahrradkette! Spätestens hier wurde Kandidat Schulz von der linken Gewerkschafterin (und nicht Anne Will) als Sozi-Ballon entlarvt. Die Neu-Linke war auch nicht mehr bereit, den geforderten Vertrauensvorschuss zu liefern – sie wolle Taten sehen.
Es wurde offensichtlich, dass die langjährige politische Karriere des neuen SPD-Parteivorsitzenden diesen wohl weit weg von Würselen und damit auch weit weg von den Bürgern geführt hat.
Genau hier liegt das aktuelle Problem der Politik und Politiker – sie müssen erkennen lernen, dass die Menschen in Deutschland keine Luftballons mehr wählen, sondern die, die dieses Land regieren (und regieren wollen) an ihren Taten messen. Schaun wir mal, wohin der Wind den SPD-Kandidaten treibt.
hp | 30.01.17