
Zettelfalten vor dem Schlafengehen
Es wird sich nichts ändern. Wer glaubt, wir hätten im September eine Wahl, der irrt. Amerika hatte eine Wahl und sie genutzt. Frankreich hat eine Wahl, es steht der Front Nationale bereit. Und in den Niederlanden gab es viele Alternativen. Ich beurteile die Alternativen nicht, ich stelle nur fest, dass diese vorhanden waren bzw. vorhanden sind.
Aber bei uns? Ich sehe keine Alternative, soweit Willy Brandt es gewesen ist, Helmut Kohl oder auch Gerhard Schröder. Man mag zu diesen Alternativen stehen, wie man will. Aber alle haben Alternativen aufgezeigt, ja sogar Visionen, wie Deutschland in Zukunft sein soll. Ohne die Ostverträge der Regierung Brandt, die Barzel nicht wollte, wäre die Einheit nicht möglich gewesen. Mit der SPD als Regierungspartei keine Einheit der beiden Staaten auf deutschen Boden und schließlich ist es Gerhard Schröder zu verdanken, dass wir heute (noch) eine wirtschaftliche Stabilität haben. Schröder hat das gemacht, wofür Helmut Kohl zum Schluss der Mut und die Kraft fehlte.
Und heute? Schulz steht für das Gleiche, wie Merkel oder umgekehrt. Die Personen sind austauschbar ohne dass sich grundlegend etwas ändern wird. Wir wählen nicht im September, wir falten Zettel. Hat man in der DDR die Wahlen zur Volkskammer nicht als „Zettelfalten“ hinter vorgehaltener Hand bezeichnet? Und niemand möge sagen, Geschichte wiederholt sich nicht. Und wenn das Ergebnis nicht so ausfällt, wie es gewünscht sein sollte… ich will nicht polemisch werden.
Wählen bedeutet Alternativen zu haben. Wenn eine Demokratie es nicht schafft, Alternativen anzubieten, ist die Demokratie dann nicht gescheitert? Nochmal, wählen bedeutet, Alternativen zu haben! Ich verlange ja keine Visionen. Da halte ich es mit Helmut Schmidt, der einmal sagte, „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“. Aber Bitteschön wo steht Deutschland in den nächsten Jahren? Wo ist der Entwurf, die Leitlinie für die nächsten 10, 20 Jahre? Was sind unsere Perspektiven, die unserer Kinder? Wo wollen wir hin? Mir kommt es so vor, als ob alle ein „weiter so“ wollen.
Wenn 100% der Abgeordneten im Bundestag der Politik der Regierung zustimmen, was derzeit der Fall ist hinsichtlich der Flüchtlingspolitik, gibt es keine Opposition mehr. Eine außerparlamentarische Opposition zum Bundestag wird mit mehr oder weniger legalen Mitteln bekämpft. Ist eine Demokratie per Definition ohne Opposition eine Demokratie? Mag eine Opposition noch so schlecht sein in den Augen der Betrachter, aber sie ist eine Opposition. Ist eine Demokratie per Definition eine Demokratie, die Ihre eigene Opposition abgeschafft hat und alle mehr oder weniger legalen Mittel einsetzt, um eine Opposition zu verhindern? Ist eine Demokratie per Definition eine Demokratie, die andere regierungskritische Meinungen, wie im Gesetzentwurf von Herrn Maas vorgesehen, durch private Unternehmen löschen lassen will. Es geht im Gesetzentwurf nur vordergründig um strafrechtlich relevante Tatbestände, die schon jetzt verfolgt werden können. Es geht schlicht um Meinungsherrschaft. Ich nenne das Zensur. In Anbetracht der angedrohten Strafen von 50 Millionen Euro (!) wird in den einschlägigen sozialen Netzwerken wahrscheinlich nur noch über das Wetter geschrieben werden dürfen. Meinungsherrschaft und Zensur sind einer Demokratie wesensfremd. Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf. Na dann allen eine gute Nacht in „good old Germany“.
RW | 21.03.17
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